Keine Kirchenmitgliedschaft ohne Steuer
Die deutsche Bischofskonferenz hat am 20. Scheiding 2012 ein Dekret veröffentlicht (das am 24. in Kraft tritt), wonach man nur Mitglied der katholischen Kirche sein kann, wenn man Kirchensteuern zahlt. Dies berichtet z.B. die WELT. Hintergrund sei eine innerhalb der Kirche geführte Diskussion darum, ob man sich auch ohne Kirchensteuerzahlung zur Kirche gehörig fühlen könne. Die Bischofskonferenz reagiere damit, so der Artikel, auf den 2009 (2007 lt. SZ) vom Theologen Hartmut Zapp geschaffenen Präzedenzfall: Zapp war aus der Kirche ausgetreten (also im Sinne der Erklärung gegenüber dem Staat), hatte sich aber weiterhin als Mitglied der katholischen Kirche empfunden. Er hatte sich auf Kirchentexte berufen, wonach die Zugehörigkeit nicht von staatlichen Stellen abhängig gemacht werden könne, es zähle die innere Haltung. Die Bischofskonferenz stellt in ihrem Text, den man hier laden (PDF) kann, klar, daß es keinen "partiellen" Austritt geben kann.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Sichtweise des Vatikans und
der deutschen Bischöfe. Ersterer hatte nämlich im Grunde im Zappschen Sinne
gehandelt: Wer nicht explizit gegenüber der Kirche den Austritt erklärte, wurde
als Mitglied angesehen.
In diesem Sinne ist auch mein Austritt offenbar zu verstehen, den ich vor Jahren gegenüber
dem Standesamt erklärte - denn ich wurde nie von einer kirchlichen Stelle im
Anschluß kontaktiert. Deswegen habe ich auf dieser Seite ein wenig darüber
spekuliert und anhand von Netzquellen darzustellen versucht, was denn nun nach dem Austritt
passiert. Wichtig: rein theologisch ist ein Kirchenaustritt gar nicht möglich, da jemand, der
einmal getauft wurde, quasi immer - lebenslang - dazugehören muß.
Das o.g. Dekret wird nun als Kompromiß zwischen Vatikan und deutscher Bischofskonferenz
gedeutet: Es wird klargestellt, daß es in Deutschland keine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche
ohne Kirchensteuerzahlung geben kann. Andererseits wird auf das Wort "Exkommunikation" ganz verzichtet, aber die
geschilderten Folgen, d.h. die Unmöglichkeit, nach dem Austritt am "katholischen Leben"
teilnehmen zu können, umfassen das, was auch die Exkommunikation bedeutet.
Bei der Süddeutschen
liest sich das etwas anders: Wer gegenüber dem Staat den Austritt erklärt, werde
nun nicht mehr automatisch exkommuniziert - er kann lediglich nicht mehr am kirchlichen Leben
teilnehmen (die Eucharistie empfangen, Taufpate werden, kirchliche Ämter übernehmen, u.U.
Verweigerung eines christlichen Begräbnisses). "Automatisch" wurde man allerdings
wohl auch in früheren Jahren nicht exkommuniziert.
Neu ist nun noch, daß nach erklärtem Austritt der örtlich zuständige Pfarrer
einen "Formbrief" versenden muß, in dem Gespräche mit dem Ziel einer
Rückfindung zur Kirche angeboten werden.
Wie ist das alles zu bewerten?
1.) Die Kleinkindtaufe ist ein Relikt, das in einem modernen Staat nicht mehr toleriert werden darf. Ab der Religionsmündigkeit mit dem vollendeten 14. Lebensjahr kann das Kind selbst entscheiden, ob es Teil der Religionsgemeinschaft werden möchte, auch in dem Sinne, einen aus Sicht der Religionsgemeinschaft unwiderrufbaren Akt über sich ergehen zu lassen (das gilt für die Taufe genauso wie die Beschneidung). Das heißt nicht, daß Eltern ihre Kinder "religionsneutral" erziehen müßten, im Gegenteil. Die religiöse Erziehung bildet das Fundament für die spätere Religiosität der Kinder. Katholische Eltern könnten ihre Kinder genauso bis zum 14. Lebensjahr ohne Taufe erziehen, allerdings sind dann die weiteren Riten (Erstkommunion, Firmung) nicht mehr zu den üblichen Zeitpunkten möglich. Die Zwangstaufe, die das Kirchensystem vorgibt, ist ein Relikt aus dem "düsteren Mittelalter" und gehört abgeschafft.
2.) Die Verquickung von Staat und Kirche füllt Bücher, insbesondere die Kritik an ihr. Zu fordern ist eine klare Trennung von Staat und Kirche, d.h. also keine Kirchensteuereintreibung über staatliche Organe, keine Förderung christlicher Kindergärten und Schulen durch den Staat, Wegfall der Fixierung auf christlichen (konfessionellen) Religionsunterricht an den Schulen, Wegfall von Kruzifixen in staatlichen Einrichtungen uvm. Was die Kirchenmitgliedschaft angeht, titelt die Süddeutsche richtig: Kein Glaube ohne Kirchensteuer. Denn natürlich geht es der Bischofskonferenz um die Einnahmen aus der Kirchensteuer. Man sollte wissen: mehr als 100000 Menschen treten jährlich aus der katholischen Kirche aus, allein 2011 über 126000 (lt. verlinktem SZ-Artikel).
3.) Die Verpflichtung des örtlichen Pfarrers, auf Austritte mit einem Brief, den man sich
hier durchlesen kann
(PDF), und Gesprächsangebot zu
reagieren, ist eine Anmaßung. Nebenbei: er ist so hochtrabend und gestelzt geschrieben, daß eine nicht unbedeutende
Anzahl von Menschen den Brief schon nach wenigen Zeilen weglegen wird. Er ist im Grunde "Druckmittel",
ein Gruß mit erhobenem Zeigefinger, der zwar nicht mit den Höllenqualen droht, aber kurz vor dieser
Stufe aufhört.
Es ist ausreichend, wenn der Vertreter der staatlichen Stelle die Folgen kurz
beschreibt. Letztlich ist dies ein weiterer Missionierungsversuch - es ist die wie immer und durch die Zeiten zu findende
Einstellung der Kirche, aus so verstandenem Sendungsbewußtsein heraus andere Leute nicht mit ihrem eigenen
Glauben - oder Unglauben - in Ruhe leben lassen zu können. Diese religiöse Bevormundung ist mir
einer der größten Kritikpunkte an der Kirche.
Wie handelt man nun?
Wer sich nicht als Mitglied der Kirche fühlt, tritt aus. Wie und wo man das macht, steht auf dieser Seite, aber man findet dazu auch etliche Infos im Netz. Auf das Schreiben des Pfarrers reagiert man gar nicht oder mit einem Zweizeiler, in dem man die eigene Entscheidung untermauert und klarmacht, daß man nicht weiter belästigt werden möchte. Grundsätzlich kann man nun noch an den zuständigen Bischof schreiben und fordern, daß der Austritt auch kirchenintern mit Exkommunikation geahndet wird. Nur so hat man Gewißheit, wie die Kirche jenseits des Come-Back-Briefes auf den Austritt reagiert.
Nachtrag 27.9.12
Einen Tag nach Inkrafttreten des bischöflichen Dekrets hat das Bundesverwaltungsgericht in die gleiche Kerbe geschlagen: Keine Sakramente der katholischen Kirche ohne Kirchensteuerzahlung (BVerwG 6 C 7.12), s. Bericht der FAZ. Der Spiegel dazu: "Justiz und Kirche auf Schulterschluss. Eine haarsträubende, aber bislang offenbar haltbare Allianz, an der alle partizipieren. Die Kirche, weil sie sich so garantierte jährliche Einnahmen von 4,8 Milliarden Euro sichert. Der Staat, weil er zwei Prozent Gebühren kassiert. Und beide, weil sich in diesem glaubensfernen Automatismus offenbar gut leben lässt."
Disclaimer: In letzter Konsequenz ist dies meine persönliche Meinung als Autor. Dennoch bin ich bemüht, allgemeine Einstellungen einer vermuteten Mehrheit von Asatru auszudrücken.
Seiteninfo: 1.Autor: Stilkam | 2.Autor: ING | Weitere Autoren: - | Stand: 20.03.2020 | Urheberrecht beachten!