Alte Sitte Eidring

Heiligtumsarbeit

Ein ungewöhnlicher Begriff... finde ich ebenso. Heiligtumsarbeit läuft mir nämlich auch nicht gerade täglich über den Weg. Genaugenommen sogar nur in besonderen Momenten. Nichtsdestotrotz finde ich das Wort passend und mag es irgendwie... hängt vielleicht mit dem eigentümlichen Wortklang zusammen. Erstmals hörte ich vor einigen Jahren davon, nachdem wir in einem Wald ein Astgabelidol aufstellten. Und genau dies war so ein Moment... wir arbeiteten daran, ein neues Heiligtum einzurichten. Im Grunde müßte man sagen, daß diese heilige Stätte ja schon vorher bestand - und wir sie natürlich nicht vollends neu erschufen, sondern darauf aufbauten und sie für uns, durch das Astgabelidol, kenntlich machten. Also den waltenden Mächten Raum schufen. Den meisten Mitmenschen dürfte sowas eher ungewöhnlich vorkommen. Von daher ein ungewöhnlicher Begriff für einen ungewöhnlichen Vorgang. Ich denke, das paßt.

"Plötzlich merkt der Mensch, was ihm vorher nicht bewußt war: Er befindet sich auf heiligem Boden und begegnet der Gottheit in ihrem Raum - der Ort ist tabu. Ein Gefühl, auch Furcht, offenbart dem Entdecker dieser Stätte die Anwesenheit einer zum Heil oder Unheil der Menschen wirkenden Macht.
Das Fluidum und die "Stimmung" des Ortes werden durch bestimmte Naturobjekte mit religiösen Aussagewerten hervorgerufen. Solche Naturobjekte sind für viele Religionen auffällige Steine und Felsen, Berge, Bäume und Haine, das Meer, Seen, Flüsse und Quellen. Pflanzen repräsentieren das Mysterium des Wachstums und der Fruchtbarkeit und letzten Endes durch ihren jahreszeitlichen Vegetationsrhythmus des ewigen Wechsels von Leben und Tod."    (Behm-Blancke, Bd.1, S.23)

Heiligtumsarbeit ist ein kreativ-schaffender Prozeß und erst der Weg zum kultischen Part. Und Auslöser kann eine bewußte Entscheidung sein, oder manchmal reiner Zufall.

Zufall kann es beispielsweise sein, wenn man während einer Wanderung ganz unerwartet an eine Stelle kommt und plötzlich das Gefühl hat, daß die Stimmung des Ortes etwas Besonderes, unbestimmt Kraftvolles, die Aufmerksamkeit Erregendes in sich trägt. Plötzlich steht man dort auf dem Waldweg im Morgenlicht vor einer uralten Steingruppe und kann den Fuß nicht vor den anderen setzen, weil die Eindrücke einen fesseln...

Verwilderte Steine

Mir erging es zuletzt so, als ich eigentlich nur mal im Vorbeigehen eine völlig verwilderte Megalithstätte in Mecklenburg-Vorpommern erkunden wollte. Völlig überwuchert mit Gestrüpp und Unmengen von abgestorbenem Astwerk, quälte ich mich dann doch durch eine halbwegs große Öffnung in einem Holunder. Im ersten Moment eröffnete sich mir ein bedauernswerter Zustand: Die Oberfläche  von scheinbar illegalen Grabungen zerfurcht und zusätzlich mit unzähligen Feldsteinen und Resten eines abgestorbenen Baums überlagert. Aber an der Besonderheit des Ortes änderte dies nichts - eingebettet in die Abgeschiedenheit weiter Felder, ragten die Steinfragmente zwischen Moos und Farn hervor. In der Folgezeit nahm ich behutsam einige Veränderungen in der Weise vor, daß ich den mittleren Bereich vom Totholz und Gestrüpp befreite und einen Grabungstrichter mit Steinen füllte. Draußen vom Feld her blieb lediglich ein kleiner Eingang inmitten der dichtgewachsenen Holunderbüsche, der im Innern die Ahnenstätte freigibt. Zuletzt richtete ich eine kleine Opferstätte ein.

Fotos Verwilderte Steine

 

Merkmale eines Ortes

Schon diese kleine Anekdote läßt erkennen, daß es ein fließender Prozess ist, durch den sich eine heilige Stätte fortwährend verändert. Dazu gehören in erster Linie nicht nur jahreszeitliche, klimatische oder vegetative Verhältnisse (Moos wächst über Steine, Wasserstände variieren, sumpfiges Gelände kann austrocknen oder zunehmen usw.), sondern hauptsächlich die Veränderungen, die man selber durch pflege und Ausgestaltung anbringt. Es wird auch deutlich, daß mit einem Heiligtum kein großes Areal gemeint sein muß. 

So können die Merkmale eines Ortes auch entwurfsbestimmend sein, wenn man bewusst plant eine neue heilige Stätte einzurichten. In diesem Sinne ist die Wahrnehmung und Deutung einer Ortsatmosphäre gewissermaßen eine interpretative Leistung. Ein Beispiel fällt mir dazu ein: In einer kleinen Gruppe stellten wir vor einigen Jahren ein etwa drei Meter hohes Nerthus-Astgabelidol in einem sumpfigen Waldabschnitt östlich von Hamburg auf. Die morastige Bruchwaldlandschaft wählten wir bewußt in Bezug zur Erdgöttin Nerthus und ihrer Verbindung zu Wasser und Unterwelt. Mit einem Heiligtum muß kein großes Areal gemeint sein...

Fotos Nerthus

 

Eigenes Grundstück - erste Schritte

Heute sind wir in der glücklichen Lage, ein großes Grundstück in ländlicher Gegend zu besitzen. In einer der Ecken des Grundstücks wachsen Eichen und Büsche in einer Art Halbkreis. Weitere Anpflanzungen folgen, unter anderem habe ich schon etwas Holunder eingesetzt, den ich von der oben beschriebenen Ahnenstätte mitgenommen habe. Im hinteren Bereich des Halbkreises ist ein Hörgr geplant, einige Feldsteine stehen schon. Im Hintergrund ist ein Teil des neuen Zauns zu erkennen, der noch mit Rankpflanzen zuwachsen soll. Insgesamt wünschen wir uns, daß sich über die Jahre ein kleiner Hain bildet, der allerlei mythische Gewächse wie Eibe, Hasel, Wacholder, Holunder, Eiche, Esche usw. enthält.

Die vorhergehenden Bilder entstanden im Herbst 2014. Inzwischen (Mai 2015) ist der kleine Feldsteinhaufen einem Erdhügel gewichen, auf dem ich nun einen größeren Hörgr aufgebaut habe. Ich gehe davon aus, daß es sich dabei um die endgültige Form handelt. Größe und Umfang liegen genau im Eichen-Halbkreis. Die Holunder-Stäbe, die ich an der Ahnenstätte geschnitten und hier eingesetzt habe (wie zuvor beschrieben), sind alle angewachsen. Sie werden dem gesamten Bereich des Steinheiligtums in einigen Jahren sicher ein schönes Antlitz verleihen und bilden darüber hinaus eine Art "Rückkopplung" zu dem Heiligtum, wo ich vorher Kraft schöpfen konnte.

 

Weitere Hinweise

Initiative "Heidnischer Ritualplatz in der Mitte Deutschlands"

Abschließend möchte ich noch erwähnen, daß es eine vereinsübergreifende Initiative gibt, deren Ziel ein "Heidnischer Ritualplatz in der Mitte Deutschlands" ist. Initiator ist Herr Reinhardt. Aktuelle Informationen zum Stand der Initiative liegen mir nicht vor. Kontakt kann über den Verein für Germanisches Heidentum oder Eldaring hergestellt werden.

 

Seiteninfo: 1.Autor: ING | 2.Autor: - | Weitere Autoren: - | Stand: 20.03.2020 | Urheberrecht beachten!