Alte Sitte Eidring

"(Rock art) contains messages from the prehistoric artist (or his patron) to mankind or to certain particular people, and in both cases probably at the same time also to higher powers ... we have difficulties deciphering those messages. What we find is rather messages from ourselves."
   [Malmer, in: Nordström, Knape (Hrsg.)]

Felszeichnung - Paar mit Priester

Bronzezeitliche Felskunst in Tanum, Schweden

Das Thema

In verschiedenen Teilen der Welt findet man an wenigen, konzentrierten Plätzen Bilder, die in den Fels gehauen wurden. Das ist auch in Schweden der Fall - hier sind besonders die im südlichen Schweden in der Gegend um Tanum (Bohuslän) zu findenden Ritzungen sehr eindrucksvoll. Die künstlerischen Darstellungen stammen meist aus der jüngeren Bronzezeit (1000 - 500 v.u.Z.) und stellen häufig Schiffe, Menschen, Tiere und Ackerbauszenen dar.
An verschiedenen Stellen dieser Seite kann man Bilder laden. Ich möchte dadurch verhindern, daß die Seite als solche eine zu lange Ladezeit erhält. Alle geladenen Bilder erscheinen in einem neuen Fenster, das man offenlassen kann, da jedes weitere Bild dort angezeigt wird (Fenster jetzt bereits öffnen).

Felsritzungen

Die auf dieser Seite vorgestellten Felsritzungen stammen aus der Gegend von Tanum (Bohuslän, Schweden). [Tanum - Google Earth]
Weitere Fundstellen finden sich in Uppland, Östergötland, Småland und auf Öland. Um Tanum sind verschiedene Fundstellen gruppiert, die 1994 als UNESCO Weltkulturerbe zusammengefaßt wurden: Im Norden Tanumshede und Fossumhällen (Bild laden), im Westen (direkt beim 1997 neu eröffneten Museum) Vitlycke (Bild laden) und im Süden Litsleby (Bild laden) und Aspeberget. Gerade das große Felsbild Vitlycke I gilt als wohl berühmtestes in ganz Schweden. Empfehlenswert ist es, die in Bohusläns Museum angegebene "Rock Carving Tour" zu machen, die im Süden bei Backa beginnt und bis hoch zur norwegischen Grenze führt. Danach kann man sagen, daß man alle wichtigen Felsmalereien gesehen hat.
Die meisten Ritzungen um Tanum stammen - wie bereits erwähnt - aus der Bronzezeit und werden als südliche oder Ackerbauritzungen bezeichnet. Man grenzt sie damit gegen die nördlichen oder Jägerritzungen (Waidmannsbilder) ab, die weitaus älter sind und meist jagdmagische Motive zeigen. Als Beispiel sei die Ritzung auf dem Flatruet (Härjedalen) genannt (Bild laden), die aus der Zeit um 3000 v.u.Z. stammt.

"The rock carvings of Tanum now are ranked alongside the pyramids of Egypt, the Taj Mahal, the Acropolis in Athens, Versailles in France and the Leaning Tower of Pisa."
   [Bohusläns Museum]

Die Datierung in die Bronzezeit erfolgt aufgrund von Gegenständen, die man in bronzezeitlichen Gräbern fand, die mit ähnlicher Symbolik verziert sind, wie sie auch die Felsbilder zeigen.
Was war das für eine Zeit, in der Menschen diese Bilder anlegten? Nun, man lebte in einer recht warmen klimatischen Phase mit einer Durchschnittstemperatur von 19°C im Heuert, das ist vergleichbar mit dem heutigen Südfrankreich. Man kann davon ausgehen, daß das Leben weitaus angenehmer als in der späteren Eisenzeit war. Manche Autoren sprechen deshalb von der Bronzezeit als dem "Goldenen Zeitalter" (Süd-)Skandinaviens.
Die Menschen bauten Getreide an, betrieben Rinder-, Schweine-, Ziegen- und Schafszucht. Die Fischerei spielte ebenfalls eine Rolle. Spezielle Berufe, wie z.B. der des Schmiedes, hatten sich bereits entwickelt; Metalle - aber auch fertige Bronzegegenstände wurden importiert. Die Bevölkerung lebte vermutich in Weilern und kleinen Dörfern, die von einer Art Anführer geleitet wurden. Letztere wurden in mächtigen Grabhügeln beigesetzt.

Für die Felsbilder wurden oft flache Felsplatten (Bild laden) gewählt, die von Wasser überspült wurden. Tatsächlich konnte man feststellen, daß viele der heute tief im Land liegenden Plätze zur Zeit der Entstehung der Felsbilder an der Küste lagen und vom Meer überspült wurden, da der Meeresspiegel ca. 25m höher lag als heute. Die meisten Felsritzungen sind in der Nähe noch heute bewohnter Gebiete zu finden; man findet sie beispielsweise nicht in bergigem oder sonstwie unzugänglichem Gebiet.
Man schlug nun mit einem Werkzeug aus hartem (Diabas-)Stein Furchen in den Fels, die man später noch abschliff. Für eine einfache Schalengrube brauchte man so ungefähr 2 Stunden. Da man in einigen Ritzungen Farbreste fand, geht man davon aus, daß die heute mit roter Farbe ausgemalten Bilder auch früher eventuell schon gefärbt waren. Dazu wurde dann vermutlich rote, eisenhaltige Erde in Verbindung mit Fett oder Eigelb verwendet.

Zur zeitlichen und individuellen Kontinuität kann man sagen, daß manche Felsen über einen Zeitraum von 500 - 1000 Jahren immer wieder bearbeitet wurden. Demgegenüber stehen Felszeichnungen wie die in Fossum, die von einem Künstler erschaffen wurden (ca. 600 v.u.Z.). Die jüngsten Ritzungen im Tanumer Raum sind z.B. in Litsleby zu finden (ca. 300 v.u.Z.).

Motive

Generell ist zu sagen, daß die meisten Motive einzeln gedeutet werden, wobei es jedoch auch szenische Ritzungen gibt, so z.B. in Fossum (Bild laden). Dort wurde die gesamte Komposition in wahrscheinlich kurzer Zeit von einer einzigen Person erschaffen. Ich verzichte hier allerdings darauf, jeden Fundort separat zu beschreiben. Stattdessen stelle ich die wichtigsten Motivgruppen vor.

Zunächst einmal möchte ich erwähnen, was nicht oder selten abgebildet ist. Das sind Häuser, Kinder, Frauen, Tote, Pflanzen, Fische oder Meerestiere, aber auch alltägliche Szenen. Die Pflug- oder Prozessionsszenen werden nicht als Darstellung des Alltagslebens gedeutet, sondern in einem rituellen Kontext.
Nun also zu den Motiven, die häufig zu finden sind:

Schiffe: Neben den Schalengruben (s.u.) sind es Schiffe, die am häufigsten abgebildet wurden - und zwar durchaus auch an Stellen, die selbst in der Bronzezeit nicht am Meer lagen (Bild laden). Mehr als 1000 Schiffe finden sich auf den Felsen Bohusläns, wovon das größte (bei Torsbo) 4,5m lang ist! Man hat übrigens einen archäologischen Beweis für die abgebildeten Schiffe gefunden: das Hjortspringboot aus Dänemark, das älteste gefundene Plankenschiff (ca. 4. Jahrhundert v.u.Z.). Die Ähnlichkeit ist verblüffend. Die geritzten Schiffe sind immer lang dargestellt, Heck und Bug sind erhöht. In Litsleby kann man deutlich Plankenschiffe erkennen.
Man muß zwischen Schiffen unterscheiden, auf denen keine Personen abgebildet sind (oder zumindest durch vertikalte Striche angedeutet sind) und solchen, auf denen deutlich Personen zu sehen sind. Bei letzteren sieht man dann Menschen, die Luren blasen, die Hände in die Luft halten oder eine Sonnenscheibe hochhalten. Es stellt sich die Frage, ob hier Rituale auf Booten durchgeführt wurden (Bild laden).
Eine andere Deutung ist die, daß die Schiffe "Totenschiffe" sein sollen. Man könnte vermuten, daß für (wichtige) Tote jeweils ein Schiff in den Fels gehauen wurde, was des Toten Reise in die Unterwelt symbolisieren sollte. Mit der Funktion als Totenschiff würde ja korrelieren, daß gerade Gräber der Eisenzeit oft eine aus Steinen gebildete Schiffsform haben.
Interessant ist folgendes: Manche der Boote in Litsleby sind mit Kreisen von 7, 9 oder 13 Segmenten verziert. Nun weiß man, daß die Steinkreise, die man in der Bronzezeit für Gräber anlegte, auch aus 7, 9, 11 oder 13 Steinen bestanden, so daß man eine Vermutung hat, die Schiffe könnten einen Toten per Überfahrt ins Totenreich bringen.
Eine von Boyer vorgebrachte Vermutung ist die, daß das Pferd die Sonne tagsüber bzw. im Sommer über den Himmel zieht, während das Schiff nachts und im Winter "Sonnenträger" ist.
Bei Massleberg ist ein vollbesetztes Schiff geritzt, das von einem Mann getragen wird. Mir begegnete dies auch bei Enköping, dort das sogenannte Brandskopskeppet. Ein 4m langes Schiff wird dort von einem Mann getragen. Hier las ich die Deutung, daß es sich um einen "Vorläufer" des Gottes Njörd handeln könte (Bild laden). Eine andere Interpretation ist die, daß bei solchen Schiffsträgern eine Sage oder Legende dargestellt wird, die uns heutigen Menschen nicht mehr zugänglich ist. Doch fühlt man sich auch an Thor erinnert, der in der Hymiskvida ein Schiff trägt: "Hlorridi (d.i. Thor) ging und ergriff am Steven, ohn erst auszuschöpfen das Schiff erfaßt er allein mit Rudern und Schöpfgerät; trug auch die Fische des Thursen heim in das kesselgleiche Berggeklüft." (Simrock)

Schalengruben: Dies sind vielleicht die ältesten (wohl auch einfachsten) Felsbilder. Diese kleinen, runden Vertiefungen findet man allein oder in Gruppen (Bild laden). In ganz Schweden sind Schälchen in Felsen gehauen, sogar in steinzeitlichen Ganggräbern (wie in Ekornavallen) findet man sie schon. Vermutlich dienten sie dazu, kleine Mengen Fett (o.ä.) als Opfergaben aufzunehmen. Dieser Brauch wurde noch bis ins 19. Jahrhundert aufrechterhalten. Schätzungsweise 30000 Schälchen finden sich allein in Bohuslän.
Eine andere Überlegung wäre die, ob die Schälchen nicht auch zum Zählen dienen konnten, siehe z.B. den Kalendermann von Aspeberget (Bild laden).
Ein wiederum andere Deutung (in Näsström) erklärt die Schälchen als symbolhafte Gegenstücke zu den vielen Männerdarstellungen mit Phallus. Demnach seien die Schälchen ein Symbol für die Erdgötting und das Füllen mit kleinen Opfergaben sei ein Opfer an die Erdgöttin. Auch wurde die Theorie aufgestellt, daß das Schlagen dieser Schalen ein symbolhafter Geschlechtsverkehr zwischen Himmelsgott und Erdgöttin sei.

Fußabdrücke: Die Fußsohlen erinnern an die Handabrücke, die man in steinzeitlichen Felsmalereien im süd-westlichen Europa findet. Vermutlich stehen diese Abdrücke für etwas, das man nicht in Gänze zeigen darf. Vielleicht stehen die Fußsohlen für Götter, die nicht abgebildet werden dürfen. Vielleicht symbolisieren sie aber auch Tote, die in "gedachter" Form an der Gemeinschaft der Lebenden teilhaben.
Fußsohlen werden in Form nackter Füße (mit erkennbaren Zehen) oder als "Sandalenabdruck" dargestellt. Die meisten haben eine Schuhgröße von 37 - 41 (Bild laden).

Waffen: Häufig sind Speere (Bild laden), Äxte (Bild laden), Bögen (Bild laden), Hämmer (Bild laden) oder Schwerter (Bild laden) anzutreffen. Interessant sind dazu folgende Dinge: Schwerter sind niemals gezogen, sondern hängen an der Seite des Mannes (Bild laden). Auch das nährt die Vorstellung, daß es sich nicht um Kampfszenen handelt, sondern um Riten. Äxte oder Hämmer sind oft überdimensional groß abgebildet. Die Archäologen fanden gerade aus der Bronzezeit solche großen Waffen, die nur eine leichte Bronzeummantelung hatten, aber im Innern einen Lehmkern. Dies waren keine Waffen im eigentlichen Sinne, sie wären im Kampf völlig nutzlos gewesen. Also interpretiert man sie als Kultgegenstände. Speziell bei der Felsritzung in Fossum findet man eine Häufung von Axtdarstellungen.
Gleichwohl muß man konstatieren, daß Männer auf den Zeichnungen fast immer mit Schwert oder einer anderen Waffe abgebildet sind. Das kann zum einen ein Standessymbol sein, zum anderen aber auch damit zusammenhängen, daß in der jüngeren Bronzezeit die sozialen Spannungen mit dem Kampf um die Ressourcen stiegen. Wehrhaftigkeit sicherte das Überleben.
Bei Litsleby sind Reiter auf Pferden zu sehen, die runde und eckige Schilde tragen (Bild laden). Runde Schilde wurden in der Bronzezeit verwendet, eckige Schilde sind aber typisch keltisch, so daß die Zeichnung als sehr jung (ca. 300 v.u.Z.) eingestuft wird (eine der letzten je gefertigten Zeichnungen in Tanum). Ob es sich bei der Szene um ein Kampfgeschehen handelt, kann nicht genau gesagt werden. Auch hier ist es wie bei den übergroßen Äxten: Man hat bei Fröslunda Schilde gefunden, die so dünn waren, daß sie nie im Kampf hätten verwendet werden können. Auch hier deutet man sie als Kultobjekte. In diesem Sinne wäre die Zeichnung bei Aspeberget vielleicht eher "Kriegerschau" als tatsächlicher Kampf.
Die abgebildeten Bögen sind meist Kurzbögen, wie sie die asiatischen Steppenvölker benutzten. Interessanterweise wurden solche von Archäologen nie gefunden - dafür aber Langbögen, die wiederum auf den Felsen nicht dargestellt sind!

Menschen / Männer: Wie bereits erwähnt, wurden fast ausschließlich Männer gezeichnet. Diese tragen ein Schwert an der Seite und haben meist einen ausgeprägten Phallus (Bild laden). Symbole für Wehrhaftigkeit (Status) und Fruchtbarkeit?
Die vielleicht bekanntestes Felszeichnung aus Schweden zeigt ein Liebespaar (Bild laden). Zu finden ist sie in Vitlycke. Mann und Frau sind einander zugewandt, sie scheinen sich zu küssen und der Penis des Mannes zeigt in Richtung der Vagina der Frau. Rechtes Bein des Mannes und linkes Bein der Frau scheinen unterhalb des Knies mit einer Art Fessel verbunden. Seitlich neben dem Paar steht ein Mann, der eine große Axt (oder einen Hammer) über das Paar hält. Dieser Mann wird meist als Priester gedeutet, der die Verbindung des Paares mit dem Hammer segnet. Man fühlt sich an die Verse aus der Edda erinnert: "Da hob Thrym an, der Thursenfürst: 'Bringt mir den Hammer, die Braut zu weihen, legt den Miölnir der Maid in den Schoß und gebt uns zusammen nach ehlicher Sitte.'" (Thrymskvida, nach Simrock). Offenbar handelt es sich hier also um die Darstellung einer "heiligen Hochzeit" (hieros gamos).
Es gibt noch ein interessantes Detail der Felszeichnungen von Bohuslän: die deutlich überzeichneten Unterschenkel. Bohusläns Museum stellt hier die Frage, ob es sich um eine Art Schönheitsideal der Bronzezeit gehandelt haben könnte. Solche Unterschenkeldarstellungen finden sich auch aus dem steinzeitlichen Afrika und Spanien sowie bronzezeitlichen Italien und Griechenland (Bild laden).
Immer wieder trifft man auch auf Lurenbläser (Bild laden). Luren wurden wohl immer in Paaren gespielt, damit man eine Art Dauerton erzeugen konnte. Aufgrund der Häufigkeit, in der Luren zu sehen sind, kann man vermuten, daß sie typische Ritualinstrumente waren.
Weiterhin fällt auf, daß (männliche) Figuren häufig gruppiert sind, so daß der Eindruck ensteht, hier würde eine kultische Handlung durchgeführt (Bild laden). Dementsprechend deutet man manche Bilder als Kultfeier auf einem Schiff oder als Kultprozession (z.B. Aspeberget) (Bild laden). Eine interessante Szene gibt es auch in Vitlycke. Einem großen Mann (Gott?) folgen 7 kleine Menschen. Sind es Kinder eines bestimmten Mannes? Sind es Menschen, die einer Gottheit folgen?
Es ist auch vermutet worden, daß die Männer mit "Sonnenradkörper" Priester sind (Bild laden). Bei manchen Ritzungen macht das Sinn, wie beim gerade geladenen Bild. Auf anderen Ritzungen, wie beim Speermann von Aspeberget (Bild laden) denkt man wohl eher an eine Gottheit.

Frauen: Frauen sind nur ganz vereinzelt zu sehen. Zu erkennen sind sie am Pferdeschwanz. Die zwei bekanntesten Darstellungen von Frauen sind diese:
In Fossum ist eine Frau dargestellt, deren Arme erhoben sind (Bild laden). Zwischen den Beinen ist eine Scheibe zu sehen. Unterhalb der Füße ist ein Motiv, das an das männliche Geschlecht erinnert. Die Scheibe wird entweder als weibliches Genital gedeutet oder aber als Symbol für die Geburt.
Die andere Frau findet sich in Vitlycke (Bild laden). Sie hockt und hält offenbar den Kopf einer liegenden Person in ihrem Schoß. Vielleicht ist dies eine der ganz wenigen Zeichnungen, auf denen ein Toter abgebildet ist. Die Frau würde dann um ihn trauern. Neben ihr steht eine kleinere Figur mit Schwert - der noch nicht erwachsene Sohn?
Die geringe Zahl dargestellter Frauen hat man damit zu erklären versucht, daß die Schalengrübchen symbolhaft für die Frau stehen. Auch werden Schiffe in Verbindung mit einer Fruchtbarkeitsgöttin gebracht (in dem Zusammenhang erinnere man sich daran, daß eines der Attribute des Fruchtbarkeitsgottes Freyr das Schiff Skidbladnir ist).

Gottheiten (?): Mit dem Begriff Gottheiten bezeichne ich hier besonders große Ritzungen von meist einzelnen Personen. Beispiele: Der "Schuhmacher" von Backa oder der "Speergott" von Litsleby (Bild laden). Siehe dazu die Deutungsform nach den Begräbnissitten (s.u.). Der Speergott wird dementsprechend mit dem späteren germanischen Gott Odin in Verbindung gebracht. Interessant ist hier, daß die Zeichnung über eine andere, ältere geschlagen worden. Vielleicht deutet das auf eine Veränderung der Religion hin.
Boyer spricht in anderer Form von Gottheiten: Er glaubt, aus den wiederkehrenden Männerdarstellungen eine Göttertrias isolieren zu können. Da wäre zum einen der Gott mit den Attributen Streitaxt und Sonne (Bild laden) (ein Vorgänger von Thor?), dann der Gott mit Schwert und Phallus (Bild laden) (ein Vorgänger Freyrs?) und ein Zwillingspaar, in dem er Vorläufer von Nerthus-Njörd bzw. Freyr-Freya sieht (Bild laden). Auch einen Schlangengott will Boyer identifiziert haben, der die Midgardschlange entspräche, sowie einen "Vogel- und Sonnengott", der aus Mitteleuropa oder dem Orient stammen soll.

Pflugszenen: Solchen Szenen (Bild laden) aus dem "Alltagsleben" sind sehr selten. In Aspeberget findet man einen Mann, der mit einem einfachen Hakenpflug arbeitet, der von zwei Ochsen (?) gezogen wird. Gemäß der Mutmaßung, daß es hier nicht um die reell geleistete Arbeit geht, könnte dieses Bild eine Bitte um Glück bei Aussaat und Ernte sein.

Sonnenscheiben / Wagen: Die häufigen runden Ritzungen werden oft als Sonnenscheiben gedeutet. Es gibt auch Ritzungen, auf denen z.B. zwei Frauen eine solche Scheibe gen Himmel halten, so z.B. das sicherlich schönste Sonnenscheibensymbol in Aspeberget. Die Sonne kann auch den Leib einer Person verdecken oder ersetzen (Bild laden). Oft findet man sie zusammen mit einer Axt abgebildet.
Von Strichen durchkreuzte Scheiben deutet man als Räder (Bild laden). Auch die Kombination existiert, worin man bronzene Sonnenscheiben sehen will, die auf einem Wagen umhergezogen werden können. In Aspeberget wird ein solcher Wagen von Pferden gezogen. Dies erinnert natürlich sehr stark an den bronzenen Sonnenwagen von Trundholm. Vielleicht hat man hier bei den Felsritzungen eine Darstellung, wie der Sonnenwagen verwendet wurde. Von Tacitus wissen wir ja, daß auch das Idol der Göttin Nerthus auf einem Wagen durch die Felder gezogen wurde. Vielleicht zog man also einen Sonnenwagen durch die Felder, um ihnen Sonne (= Fruchtbarkeit) zu bringen.
Eine speziellere Deutung hat man für die Wagen: Man weiß, daß Wagen von der keltischen Bevölkerung in Mitteleuropa zu Begräbniszwecken benutzt wurden. So hat man auch bei den Felszeichnungen vermutet, daß Wagen eine Hinüberfahrt ins Reich der Toten andeuten.
Bei Fossum findet man auch eine Ritzung eines Pferdes, dessen Mähne in eine Sonnenscheibe übergeht. Haben wir hier eventuell schon eine frühe Vorwegnahme der eddischen Überlieferung von den Hengsten Arvakr und Alsviðr, die die Sonne über den Himmel ziehen?
In Aspeberget ist ein Wagen als "Explosionszeichnung" dargestellt. Er ist vierrädrig und wird von zwei Pferden gezogen.

Tiere, Sodomie: Verschiedene Arten von Tieren werden teils recht naturgetreu, teil eher stilisiert dargestellt: Da ist zum einen das Jagdwild (Hirsche, Rehe, Wildschweine, Wölfe), dann domestiziertes Vieh (Bullen / Ochsen, Pferde, Ziegen, Hunde), aber auch sonstige (freilebende) Tiere wie Schlangen oder Vögel (Kraniche? s. Vitlycke IV). In Vitlycke findet sich sogar ein Blauwal!
In Aspeberget kann man einen Mann hinter einer Reihe von Stieren sehen - ein Hirte? Diese Szene findet sich auch bei Norrköing, im Inland.
Jagdszenen sind hier bei den bronzezeitlichen Zeichnungen sehr selten (Bild laden), sie sind eher typisch für die jagdmagischen Felsmalereien der Steinzeit. Einzeln dargestellte Hirsche symbolisieren vermutlich Stärke und Fruchtbarkeit (Bild laden), zwei wiederkehrende Motive dieser Felsmalereien. Das Wildschwein (wie auf der Jagdszene von Norrköping (Bild laden)) soll nach Boyer direkt mit dem Totenkult in Verbindung stehen.
Domestiziertes Vieh ist in alltäglichen Situationen zu sehen: Hunde z.B. als Jagdhelfer (Bild laden), Stiere (Bild laden) oder Kühe (Bild laden), die von einem Hirten begleitet werden, Pferde oder Ziegen (Bild laden), die Wagen ziehen. Pferde galten als Statussymbol, wurden mit Gottheiten in Verbindung gebracht und auch geopfert (Bild laden). Das Essen von Pferdefleisch war in christlicher Zeit als "heidnische Unsitte" verboten.
In Vitlycke findet sich ein ganz hervorragend ausgearbeiteter Stier (Bild laden). Man wird dabei an die Bedeutung des Stiers im restlichen Europa - besonders auf Kreta - erinnert. Der Stier symbolisiert vermutlich Kraft, Ausdauer und Fruchtbarkeit.
Verschiedentlich sind Schlangen zu sehen, so z.B. unter der Pflugszene beim Aspeberget. Hier vermutet man, daß die Schlange ein Regensymbol sein könnte. Besonders bekannt ist die "Schlangenbeschwörungsszene" von Vitlycke I. Ein Mann mit erhobenen Händen steht vor einer langen Schlange.
Recht selten findet man auch Spuren von Tieren in den Fels gehauen. In Bohuslän sind das z.B. Wolfstatzen, die man bei Åby bestaunen kann. Ich habe bei Norrköping "Bärentatzen" fotografiert.
Einige Felszeichnungen zeigen sodomitische Szenen, so z.B. in Kallsängen. Dort steht ein "Vogelmensch" (Mensch mit Vogelmaske und Kostüm?) hinter einer Art Ziege. In Vitlycke gibt es ein weiteres Motiv, wobei das Tier schwer zu bestimmen ist (Bild laden). Hier wird auf eine mögliche fruchtbarkeitsmagische Handlung verwiesen. In Bohusläns Museum wird auf die Sitte keltischer Stämme hingewiesen, wo ein neu gewählter Anführer mit einer Stute Geschlechtsverkehr vollzog, die dann nachher geschlachtet und verzehrt wurde. Der Anführer hatte so seine "Fortpflanzungsfähigkeiten" bewiesen.
Natürlich wird man auch an Loki erinnert, der in eine Stute verwandelt mit dem Hengst Svaðilfari Odins Pferd Sleipnir zeugt. Vielleicht geht es auch in den Darstellungen auf den Felsen nicht um reelle Sodomie, sondern um eine übertragene Vorstellung.

Spezielles: In Aspeberget gibt es das Bild eines Mannes, dessen rechte Hand erhoben und überdimensioniert ist (Bild laden). Darüber befinden sich 29 Punkte (Schalengruben) in 4 Gruppen zu je 7 mit einem zusätzlichen Punkt darüber. Hier vermutet man eine Art Kalender, da ja der synodische Monat 29 1/2 Tage dauert (s. Seite zu Kalendern und Zeitmessung). Mondfeld deutet den Mann als "Mondgottheit".
In Vitlycke findet man auch das Bild eines Mannes, der auf einem Wagen steht, der von einer Ziege oder einem Pferd gezogen wird (Bild laden). Der Mann scheint einen Hörnerhelm zu tragen, der tatsächlich in der Bronzezeit gelegentlich zu kultischen Zwecken getragen wurde. Vor dem Bauch des Mannes ist etwas zu sehen, das wie eine Schlange oder wie ein Blitz aussieht. Jeder, der sich ein wenig mit germanischer Mythologie auskennt, wird die Ähnlichkeit zum Gott Thor / Donar sehen.
Der Künstler, der die Felsritzungen von Fossum erschaffen hat, hat auch zwei Männer abgebildet, die sich in gekrümmter Position Rücken an Rücken befinden. Sie halten beide einen Stab, haben eventuell Vogelmasken aufgesetzt und unter ihnen findet sich eine Schalengrube (Bild laden). Bohusläns Museum interpretiert dies als einen rituellen Tanz. Ich denke jedoch, daß man durchaus weitergehende Interpretationen wagen darf: Das Motiv der Zwillinge taucht immer wieder auf, am bekanntesten bei den von Tacitus (Germania 43) erwähnten Alcis, die er in Verbindung zu den Dioskuren bringt. Diese wiederum haben mit den angelsächsischen Hengist und Horsa gemein, daß sie in Beziehung zu Pferden stehen. Ist die gekrümmte Position der beiden Personen evtl. eine Reithaltung? [s.a. weiter oben unter 'Gottheiten' die Erwähnung der Zwillinge]

Fremdes: Unter diesem Punkt bringe ich Dinge zusammen, die man in Skandinavien archäologisch nie bestätigt hat. Darunter fällt z.B. die Felsritzung in Åby, wo eine Reihe von 5 (tanzenden?) Männern zu sehen ist, die spitze, keltische Helme tragen. Wer waren diese Männer und woher kamen die Helme?
Weiterhin fallen darunter die Reiter mit eckigen Schilden (bei Litsleby) (Bild laden). Diese Schilde sind vermutlich keltischen Ursprungs, man datiert diese Ritzung in die zwei Jahrhunderte vor der Zeitenwende. Wer waren diese Krieger?

"Die Felszeichnungen der Bronzezeit stehen ohne Zweifel für ein strukturiertes Glaubenssystem, welches sich so tief in der skandinavischen Kultur verankerte, daß es zum Teil noch heute im kollektiven Unbewußten präsent ist - der julskinka (Weihnachtsschinken) und der julbock (ein Ziegenbock aus Stroh) der skandinavischen Weihnachtsfeste unserer Zeit können auf eine dreitausend Jahre alte Tradition zurückblicken! Die Felszeichnungen belegen das Vorhandensein einer offensichtlich sonnenzentrierten Kosmogonie; eines Fruchtbarkeitskultes, der letzten Endes auf den Totenkult zurückverweist; schließlich einer Mythologie, die wir in schriftlichen Darstellungen erläutert finden, die über zweitausend Jahre später entstanden. Das ist, bei genauerer Überlegung, eine verblüffende Kontinuität."
   [Boyer]

Deutungsversuche

Vieles ist schon bei der Darstellung der Motive angeklungen. Hier sollen noch einmal einige Aspekte herausgehoben werden.

Klima

Weiter oben wurde schon die hohe Durchschnittstemperatur im Heuert erwähnt, die jedoch zum Ausklang der Bronzezeit (um 500 v.u.Z.) absank (von 19 auf 16°C). Es wurde kühler und es ist zu vermuten, daß die Menschen, die sich ja von Ackerbau ernährten, das sehr genau bemerkten. Man hat nur versucht, die Darstellung von Sonnenrädern oder auch Funde wie den Sonnenwagen von Trundholm in eine Beziehung zu einem Sonnenkult zu bringen. Danach seien die geritzten Sonnenscheiben und -räder Bitten an Gottheiten, das Wetter besser werden zu lassen.

Motive

Zeichnungen von Häusern, Kindern, Frauen und alltäglichen Szenen fehlen so gut wie auf allen Felsmalereien. Dies hat man so zu erklären versucht, daß die Felszeichnungen gerade nicht das Alltagsleben darstellen, sondern Kulthandlungen. Nach dieser Deutung stellen die Zeichnungen nicht nur rituelle Handlungen dar, sondern sind gleichsam in Stein gemeißelte Anrufungen oder Gebete. Auch Boyer betont den religiösen Charakter der Ritzungen, wohingegen die "ästhetische Deutung" davon spricht, daß es sich bei den Felsbildern ausschließlich um künstlerische Betätigung als Selbstzweck handelt, und die "historische Deutung" besagt, daß hier geschichtliche Vorgänge aufgezeichnet wurden. Man könnte vielleicht auch sagen, daß kultische Handlungen hier "für die Ewigkeit" konserviert werden sollten.

"... und 1927 erschien Oscar Almgrens berühmte Darstellung der Felsbilder als kultische Szenen. Wie auch immer die einzelnen Bilder gedeutet werden mögen, seit Almgren ist man sich über den religiösen (oder magischen) Charakter der Darstellungen klar."
   [Ström]

Begräbnissitten

Um 1200 v.u.Z. änderten sich in Südskandinavien die Begräbnissitten. Man ging von der Körperbestattung zur Feuerbestattung über. Zu etwa dieser Zeit tauchen auf den Felszeichnungen die großen Figuren ("Gottheiten", s.o.) auf. Man kann nun vermuten, daß die Aufgabe der Körperbestattung bedeutet, daß man nicht an ein körperliches Weiterleben der Toten glaubte, sondern subtilere Formen eines Jenseitsverständinisses (bzw. Seelenvorstellungen) gefunden hatte, die es trotz Verbrennung der Toten diesen erlaubten, in einer anderen Sphäre weiterzuexistieren. Nebenbei muß man auch feststellen, daß die Grabbeigaben wesentlich weniger üppig ausfielen als in den Jahrhunderten zuvor - dafür finden sich mehr Opfer, die vermutlich an die Götter gemacht wurden (Boden-, Moorfunde). Ging damit der Glaube an personalisierte Götter einher? Jedenfalls vermutet man in den großen Figuren wie dem Speermann von Litsleby spätere Gottheiten, hier eben Odin. Dies bezeichnet man als "mythologische Deutung".

Überritzte Zeichnungen

Ein gutes Beispiel ist der Stein mit dem "Speergott" von Litsleby. Man vermutet, daß die Zeichnungen über einen Zeitraum von 1000 (!) Jahren kontinuierlich gearbeitet wurden. Der Speergott ist z.B. über ältere Motive geschlagen worden. Ebenso findet man häufig Fußsohlen, die über andere Bilder geschlagen wurden. Hier vermutet man, daß die Motivik veränderten Religionsvorstellungen angepaßt wurde. Die Fußsohlen könnten bedeuten, daß man zu einem bestimmten Zeitpunkt davon ausging, man dürfe Götter nicht abbilden. Die Sohlen stehen also als Ersatz für das, was man nicht zeichnen darf. Der Speergott wiederum könnte bedeuten, daß man zu späterer Zeit von personalisierten Gottheiten ausging, die dann in besonderer Größe über die alten Motive geschlagen wurden.

Szenische Ritzungen

Man geht heute davon aus, daß die Felszeichnungen von Fossum von einem Künstler hergestellt wurden. Dennoch ist es schwierig, alle Motive als szenische Darstellung zu deuten. Vielleicht war das auch vom Künstler nicht beabsichtigt. Eine interessante Auslegung von Vitlycke I bietet Mondfeld. Er beschreibt die Aufteilung der oberen und unteren Plattenhälften als "großes Drama", als Jahreszyklus, Menschenleben oder Völkerschicksal.

Götter?

"Welche Götter sind uns nun während der Bronzezeit der Germanen bekannt? Wagen, Schiffe und Fußsohlen geben uns nur Hindeutungen auf eine unbestimmte Gottheit, deren Anwesenheit (Fußstapfen) oder Ankunft (Wagen) man sich bewußt war. Die Trundholmfigur, die Räder und Scheiben der Felsbilder und vielleicht Ortsnamen wie Solberga, Solbjerg (Sonnenberg) zeugen von einem Glauben an die Sonne als Gott. Andere Gegenstände weisen in die Richtung von späteren nordischen Göttern. 'Die Axt kann mit Thors Hammer verglichen werden, der Speer ist Odins Attribut, das Schwert dagegen dasjenige sowohl Frös als auch Tyrs, der Schild dem Fruchtbarkeitsgott Ull interessant genug. Der Streitwagen ist vor allem Thors Donnerwagen. Das Schiff gehört wahrscheinlich zwei Göttern, einerseits Frö, dessen zusammenlegbares Schiff ja Skidbladnir war, andererseits Njord, dessen Hof Noatun hieß, der Schiffshof.' (B. Almgren)"
   [Ström]

Der dänische Archäologe Brøndsted hat aus den Felsritzungen einen kompletten bronzezeitlichen Pantheon rekonstruiert (Brøndsted, 1977, De ældste tider). Da gibt es den Sonnengott, ein Blitzgott (mit großen Händen), die Zwillingsgötter, zwei Fruchtbarkeitsgöttinnen. Doch so schön das alles klingt, es krankt daran, daß eine menschenähnliche Darstellung nicht zweifelsfrei eine Gottheit darstellt.

Verwendete Literatur

Bohusläns Museum / Bohusläns museum och Bohusläns hembygdsförbund / Boyer / Evers / Mondfeld / Näsström / Nordström, Knape (Hrsg.) / Ström

Verweise, z.B. zum Vitlycke Museum oder Tanums Hällristningsmuseum, finden sich auf der Verweisliste Geschichte.

Felszeichnung - Jagdszene

 

Seiteninfo: 1.Autor: Stilkam | 2.Autor: ING | Weitere Autoren: - | Stand: 20.03.2020 | Urheberrecht beachten!