Alte Sitte Eidring

Festansprachen

Diese Texte sind Beispiele für den Punkt 1 des Rituals - Bereiten. Die Beispiele sind rund um das jahreszeitliche Geschehen und die zum Fest passenden Gottheiten aufgebaut. Natürlich kann man durchaus längere Ansprachen halten. :)

Julfest

Die Sonne ist immer tiefer am Horizont gesunken, es wird jetzt früh dunkel. Kalt ist es auch geworden, die Bäume haben ihre Blätter verloren und die Erde schläft ihren "Winterschlaf". Die stille Zeit ist angebrochen. Heute nun feiern wir die längste Nacht des ganzen Jahres. Und sie ist uns Anlaß zum schönsten germanischen Fest - Jul! Es ist ein Fest voller Licht und Freude, aber auch ein Fest der Sippe, der Ahnen und somit des Totengedenkens. Wodans Wilde Jagd ist in dieser Zeit mit uns. Diese Ebenen des Festes schließen sich nicht aus, sondern sie greifen ineinander - so wie auch das Rad des Jahres keinen wirklichen Anfang und kein Ende hat. Gewiß ist nur: ein neuer Frühling kommt. So nimmt das Rad des Jahres nun einen neuen Anlauf und schwingt sich wieder bis Mittsommer hoch. Alles ist im Fluß - und doch scheint die Zeit in diesen dunkelsten Nächten des Jahres stillzustehen. In dieser Zeit genießen wir das warme Heim, geben uns Geschenke und gedenken derer, die auch im Tod noch zu unserer Familie gehören.

Ostara

Wenn die Luft das erste Mal im Jahr 'anders riecht' - ich merke das sehr deutlich -, dann ist der Frühling ganz nah. Es sind wohl diese 'lauen Frühlingslüf­te', die die Dichter immer wieder zu Strophen motivieren. Die größte Kälte ist vor­über, das wissen wir. Wir hörten die Amsel das erste Mal wieder singen, es sind Kraniche über unseren Köpfen laut trompetend nach Norden geflogen. Weiden­kätzchen, Blattknospen und Schneeglöckchen – der Winter muß weichen. Für die Menschen früherer Zeiten ging eine harte, grausame Zeit zu Ende. Nicht nur das Vieh mag damals erfroren sein. Mit Ostara beginnt die Zeit der asischen Göttin der Morgenröte, eine Zeit der Erneuerung – man mag auch Wiedergeburt sagen – in allen Bereichen: Nicht nur die Felder grünen, auch unsere Gefühle und Empfin­dungen schwingen mit. Neben Ostara ist Donar ein wichtiger Gott dieses Festes – ist er es doch, der mit seiner unglaublichen kämpferischen Kraft die Frostriesen bezwingt. Hinter ihm, so mag man es sich vorstellen, schreiten die Vanen und befruchten das brachliegende Land.

Mittsommer

Die Zeit zwischen Ostara und der Sommersonnenwende vergeht immer viel zu schnell, finde ich. Kaum hat man sich daran gewöhnt, daß der Frühling da ist, da feiert man schon die Sonnenwende - Mittsommer. Und das, obwohl die größte Hitze in unseren Breiten wohl noch aussteht, die kommt oft erst zum Schnitterfest im Ernting. Aber wie wir es drehen oder wenden - seit Jul ist ein halbes Jahr der ansteigenden Tageslängen vergangen; jetzt kommt die Wende und die Tage werden wieder kürzer. Wir wollen es vielleicht nicht wahrhaben, wollen den Sommer noch voll auskosten, aber der heutige längste Tag des Jahres weist doch unweigerlich auf die zweite Jahreshälfte. In der Natur sehen wir dies auch, wenn wir hinschauen: die Blütezeit ist vorbei, der Vogelgesang wird ruhiger und die Natur reift in mannigfachen Varianten von 'Grün' der Erntezeit entgegen. Wir feiern dieses Fest vor allem zu Ehren Odins und seiner Frau Frigg, die als göttliches Paar das Fest regieren. Aber natürlich gedenken wir wie viele anderen heidnischen Gruppen auch ihrem Sohn Baldur, der in der Blüte seines Lebens durch seinen blinden Bruder erschossen wurde. Das Bild: heute steht die Sonne an ihrem höchsten Punkt, wir haben die kürzeste Nacht des Jahres vor uns. Doch analog des Todesstoßes muß auch sie ab morgen unaufhörlich dem Winter entgegensinken.

Herbstfest

Wie viele andere Religionen feiern wird heute ein Erntedankfest. Wir sprechen auch vom Herbstfest, weil ja nun das Winterhalbjahr bei uns beginnt. Wir fühlen, daß der Sommer vorüber ist - auch wenn es durchaus noch warm sein mag. Die Felder sind abgeerntet und die ersten Vögel haben uns schon lange wieder Richtung Süden verlassen. Wir jedoch bleiben hier in unserer Heimat, wo wir in die ewige Spirale des Jahresrads eingebunden sind. War es eine gute Ernte? Das muß in der heutigen Zeit jeder für sich beantworten, da die meisten von uns nicht mehr im bäuerlichen Bereich tätig sind. Herbstfest, das heißt immer auch ein wenig Resümee halten: das Jahr geht zu Ende - was hatte ich mir vorgenommen? Was habe ich erreicht? Was kann ich noch verändern, um zum Julfest das Jahr zufrieden abschließen zu können?
Und wenn wir von Ernte sprechen, dann beziehen wir uns auf ganz verschiedene Gottheiten, ja, das Herbstfest ist für mich das beste Beispiel für Polytheismus. Wir haben das vanische Paar Freyr und Freya, Fruchtbarkeitsgotteiten unter anderen; wir haben Donar, den Beschützer - auch der Ernte -; Wodan und Frija (bewußt nicht 'Odin und Frigg') in einem eher bäuerlichen Sinne als der Befruchter und die Bewahrerin. Möge Frija uns in den Winter geleiten - schauen wir, daß wir Haus und Hof winterfest bekommen.

 

Seiteninfo: 1.Autor: Stilkam | 2.Autor: ING | Weitere Autoren: - | Stand: 20.03.2020 | Urheberrecht beachten!