Geschichte der Runen
Ursprung
Die Runen sind ein Alphabet, das von den germanischen Stämmen benutzt wurde.
Zu ihrem Ursprung gibt es verschiedene Theorien. Die Lateinthese wurde von
(1877) vertreten. Dieser weist auf die Übereinstimmung der lateinischen Buchstaben
F, B, M, R mit den runischen Äquivalenten hin. Das könnte bedeuten, daß das
Runenalphabet in der Kontaktzone Römisches Reich - Germanien entstanden ist. Es
wurde auch vermutet, daß eine einzige Person das Alphabet auf der Basis des Vorbildes
geschaffen habe. Da
aber gerade die ältesten Runenzeugnisse aus dem hohen Norden stammen, muß zur
Untermauerung der Lateinthese schon von sehr intensiven Handelsbeziehungen ausgegangen werden.
Die heute aber am meisten vertretene These stammt von
(1928) und (1929).
Diese Norditalienthese versucht die Herleitung der Runen aus mehreren norditalisch-etruskischen
Alphabeten, die vom Lateinischen beeinflußt wurden. Es gibt mit späteren Runen immerhin
9 Übereinstimmungen (u, h, k, a, z, s, t, l, o) und die Einfachschreibung von Doppelkonsonnanten
sowie die beliebige Schriftrichtung entspricht dem Runenalphabet.
Als "Übermittler" der späteren Runen kämen dann die überlebenden Kimbern aus
der Schlacht bei Vercellae (101 v.u.Z.) oder die am Rhein, später in Böhmen siedelnden
Markomannen in Betracht (nach Krüger).
Simek bringt noch die Heruler ins Spiel, mit deren
Namen die auch später noch verwendete Selbstbezeichnung der Runenmeister 'ErilaR' zusammenhängt (bzw. auch
das Wort Jarl (earl), Fürst). In diesem Sinne wäre Heruler weniger ethnischer Verband als soziale, kriegerische
oder intellektuelle Elite. Diese Theorie ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß die Wanderungsbewegungen keine
"Einbahnstraßen" waren, sondern daß auch Gruppen und Verbände wieder in ihre Ursprungsregionen
zurückkehrten.
Allerdings muß man auch überlegen, inwieweit z.B. bronzezeitliche Felssymbole
(hällristningar) bzw. "vorrunische Symbole"
allgemein einen "einheimischen" Einfluß auf die Entwicklung der Runen
hatten, da manche Felsmotive spätere Runen vorwegzunehmen scheinen. Manche Autoren
haben sogar einen Einfluß von Zeichen in steinzeitlichen Malereien gesehen. Man kann sich
hier vielleicht einen sehr facettenreichen Prozeß vorstellen, bei dem die neue Schrift langsam
nach Norden vordrang, wo die Menschen sie mit ihren eigenen, alten Symbolen umgestalteten und
für sich nutzten.
Eine andere Annahme hat ebenfalls etwas für sich, nämlich die, daß das
älteste Futhark von einer Person oder einer kohärenten Gruppe von Menschen
(Germanischen Söldnern im Dienste Roms?) entworfen wurde. Dies wird darauf gestützt,
daß das Futhark urplötzlich in der Geschichte auftaucht und danach nur sehr
minimale Veränderungen durchgemacht hat.
Ende 2006 machte die Theorie Prof. im Web die Runde, daß das Runenalphabet direkt von den Phöniziern stamme. Der erste Buchstabe dort (Aleph) sehe aus wie ein F und bedeute "Vieh", so daß die Germanen Fehu (Vieh) übernahmen. Zudem schrieben die Germanen - wie die Phönizier - kein M oder N vor Konsonanten und keine Doppel-T, -K oder -L.
sDas erste in sich geschlossene runische Alphabet ist vermutlich um das Jahr 0 im Gebiet des heutigen
Dänemarks aufgetreten. Die meisten der bis heute gefundenen Inschriften werden auf die Zeit
zwischen dem 2. und 8. Jahrhundert nach der Zeitenwende datiert. Viele dieser Funde stammen aus Mooren
und Gräbern.
Den Helm von Negau sehen Forscher als eines der ältesten
Zeugnisse an. Er wird auf das 1. - 2. Jahrhundert vor der Zeitenwende geschätzt und trägt in
einem norditalischen Alphabet die Inschrift "harigastiteiva/// IP (oder IL)",
was meist als 'dem Gott Harigast' oder 'Harigast dem Teiva' (wobei hier Teiva die Gottheit wäre)
interpretiert wird (vgl. Hasenfratz).
Åke Ström vertritt eine andere Auffassung:
Er schreibt, daß harigastiteiva als "Harigasti Tei V A III Il" zu lesen sei, was
'Eigentum des Harigast, Sohn des Teus, zur dritten illyrischen Hilfskompanie gehörend' bedeute.
Eine weitere Deutung liest: Hari Gast Teiva, "dem göttlichen Gast des Heeres".
"Dazu stimmt auch die Beobachtung, daß das Vorhandensein von zwei i-Runen im ältesten
Futhark darauf deutet, daß zumindest die Runennamen zu Beginn des 1. Jh.s n.Chr. geschaffen
wurden, zu einer Zeit also, als die lautliche Entwicklung des urgermanischen Diphthongs
ei von dem ursprünglichen Monophthong i
(Runenname urg. *eisaz gegenüber *isaz) noch verschieden war."
W. Krause
Gerade der Helm von Negau könnte belegen, daß das Runenalphabet von germanischen Söldnern entwickelt wurde, die mit den etruskischen oder lateinischen Buchstaben in Berührung kamen.
Eines der ältesten Artefakte mit Runeninschrift ist die auf das Jahr 50 u.Z.
datiert Brosche von Meldorf (Schleswig) oder auch der Kamm von Vimose (Fünen, 150 u.Z.)
Um 400 enstanden die
Goldhörner von Gallehus, in Schweden der Stein von Kylver mit einem
kompletten Futhark. Auch der Stein von Nordhuglen, Norwegen, wird in diese
Zeit datiert, es ist der älteste Runenstein, auf dem ein Priester
erwähnt wird: "Ich, der Priester, der gegen Zauber gefeit ist" (ek gudija ungandiR)
Aus der Zeit um 600 stammt der Runenstein von Noleby, Västergötland:
"runo fahi raginaku(n)do"
("Eine Rune male ich, eine von den Ratern (Göttern) stammende")
Das Wort "Rune" ist eine Wiederaufnahme von Gelehrten aus den letzten Jahrhunderten. Es kam einst in allen germanischen Sprachen vor, so z.B. gotisch / altsächsisch / althochdeutsch 'runa'. Es bedeutete 'Geraune', althochdeutsch 'Geheimnis'. Als althochdeutsches 'giruni' steht es für 'geheime Beratung'. Die Begriffe meginrunar und ginnorunar bedeuten Machtrunen und Magierunen.
Mythologie und Psychologie
Der Mythologie nach war es Odin, der einäugige Walvater, der die Kenntnis der Runen dadurch erlangte, daß er sich 9 Tage und Nächte an den Weltenbaum hängte (sich selbst opferte) und im Hinunterfallen die Runen er- / begriff. Dies wird in den Havamal beschrieben, einem Teil der Edda. Diese Stelle wird meist als schamanische Erfahrung gedeutet. Dadurch daß Odin die Runen erkannte, konnte er sie quasi den Menschen zum Geschenk machen, die in der Arbeit mit den Runen also Odins Nachfolge antreten. Hier der relevante Ausschnitt aus dem Runenlied (in isländisch und deutsch):
"Veit ek, at ek hekk vindgameiði á nætr allar níu, geiri undaðr ok gefinn Óðni, sjalfur sjalfum mér, á þeim meiði er manngi veit hvers af rótum renn. Við hleifi mik sældu né við hornigi, nýsta ek niðr, nam ek upp rúnar, æpandi nam, fell ek aftr þaðan." |
Ich weiß, daß ich hing am windigen Baum, Neun lange Nächte, Vom Speer verwundet, dem Odin geweiht, Mir selber ich selbst, Am Ast des Baums, dem man nicht ansehn kann, Aus welcher Wurzel er sproß. Sie boten mir nicht Brot noch Met; Da neigt ich mich nieder Auf Runen sinnend, lernte sie seufzend: Endlich fiel ich zur Erde. (Simrock-Übersetzung) |
Im psychologischen Sinn kann man die Runen als einen Versuch ansehen, archetypische Kräfte
und Bilder zu reflektieren, denen die Menschen Zeichen und Namen zuordnen wollten.
Beispiel: Der Gott Tyr (Tiu) wird durch die
Tiwaz-Rune symbolisiert. Man muß sich das so
vorstellen, daß das, wofür Tyr steht (Gerechtigkeit, Kraft usw.) im Zeichen der Rune
enthalten ist. Würde man die Rune nun in Verbindung mit einem
Amulett oder Talisman oder auch
in einer Visualisierung benutzen, dann könnte man damit die Kraft Tyrs "anzapfen".
Es war früher auch üblich, das gesamte Futhark zu ritzen /
schreiben, da man sich damit vermutlich erhoffte, alle Kräfte zu bündeln.
Mehr Infos dazu auf der Seite zu Runenmagie.
Konzept
Mit der griechischen Sprache haben die Runen gemeinsam, daß jedes Zeichen sowohl einen Lautwert als auch einen Begriffswert hat. Eine Rune ist also nicht nur 'Buchstabe', sondern sie kann dreifach interpretiert werden:
- Der Begriffswert ist 'Vieh, Gold, Reichtum' [Fehu]
- Der Lautwert ist F
- Der Zahlwert ist 1, also die erste von 24 Runen, oder 31, was die Summe der Zahlwerte von F, E, H und U ist
Der Lautwert ist bei 23 von den 24 Runen der Anfangsbuchstabe, die Ausnahme bildet Algiz / Elhaz,
deren Lautwert das auslautende -z oder -R (je nach Alter der Inschrift) ist. Der Zahlwert
variiert je nach Ausdeutung.
24 Runen bilden das sogenannte Ältere Futhark. Die
Schriftrichtung scheint beliebig gewesen zu sein. Auch wurden Runenzeichen mit "vorrunischen
Zeichen" gemischt, so daß die Deutung von Funden schwierig ist.
Die Runen können thematisch sortiert werden, so daß sich (nach Simek, verkürzt)
dieses Bild ergibt:
anthropo- u. theriomorphe Namen: Thurisaz (Riese), Ansuz (Ase), Tiwaz (Tyr), Mannaz (Mann), Ingwaz (Ing)
zoomorphe Namen: Uruz (Ur), Algiz (Elch), Ehwaz (Pferd), Fehu (Vieh)
biomorphe Namen: Eiwaz (Eibe), Berkana (Birke), Laguz (Lauch)
meteorologische Namen: Hagalaz (Hagel), Isa (Eis), Jera (Jahr, Ernte), Sowilo (Sonne), Dagaz (Tag)
schadenbringende Namen: Kenaz (Geschwür, Krankheit), Nauthiz (Not)
kultische Namen: Raidho (Ritt, Wagen), Gebo (Gabe), Wunjo (Wonne), Othala (Erbe)
sonstige Namen: Perthro - p-Rune
Die Perthro-Rune stellt das größte Mysterium der Runenreihe dar, ihre Bedeutung ist unklar. Direkter Sprung
zu den einzelnen Runen am Ende der Seite.
Historischer Gebrauch
Die Runen waren nie eine Gebrauchsschrift für einen Großteil der Bevölkerung. Vielmehr geht man davon aus, daß bestimmte Personen die Kenntnis der Runen beherrschte und weitergab. Diese "Runenmeister" wurden eventuell als "Eruler" (erilaR / irilaR) bezeichnet. Von daher kann man annehmen, daß die Runen vermutlich für magische und divinatorische Zwecke benutzt wurden. Als "normales" Alphabet wurden sie erst benutzt, als der 'magische Charakter' verloren gegangen war. Das heißt, das die Runen wohl erst nach dem Ende der Wikingerzeit z.B. von Händlern benutzt wurden, um Warenbestände oder -arten zu kennzeichnen. Das bedeutet auch, daß die Runen in christlicher Zeit weiterbenutzt wurden. Auf der deutschen Insel Hiddensee haben sich sogenannte Hauszeichen erhalten, die sehr stark den Runen ähneln.
Hauptsächlich wurden die Runen aber in England und den skandinavischen Ländern weiterverwendet, wobei die Zahl der Runen im angelsächsischen Raum auf mehr als 30 anstieg (Angelsächsisches Futhorc), während sie in Skandinavien auf 16 sank (Jüngeres oder Nordisches Futhark). Letzteres war auch das Runenalphabet, das in der Wikingerzeit benutzt wurde, aus dem es vor allem im skandinavischen Raum noch viele Runensteine gibt.
Runenforschung
Ab dem 17. Jahrhundert u.Z. gibt es wissenschaftliche Studien zu den Runen, so Ole Worms "Danicorum monumentarum libri sex" von 1643. Die "Runologie" begann mit Wilhelm Carl Grimms "Über deutsche Runen" aus dem Jahr 1821. Ein sehr wichtiges Werk ist auch Ludvig Wimmers "Runeskriftens Oprindelse og Udvikling i Norden" (1874). Er war der Erste, der die Existenz des Älteren Futharks mit seinen 24 Runen belegte und auf die Ähnlichkeit einiger Runen mit lateinischen Buchstaben hinwies (Lateinthese). Die moderne Runenforschung hat ihr Zentrum in Skandinavien.
Runengedichte
Es gibt 3 sogenannte Runengedichte, die das älteste aufgezeichnete (und verschlüsselte) Wissen über die Runen darstellen. Dies sind das Norwegische, das Isländische und das Angelsächsische Runengedicht. Dort finden sich kurze, oft kryptische Erklärungen zu den Runen.
Das Angelsächsische Runengedicht besteht aus 29 Versen für die Runen des
entsprechenden Futhorcs. Es wurde allerdings für ein christliches Publikum geschrieben /
verändert. Die existente Fassung wird auf das 10. Jahrhundert datiert, das Gedicht
könnte jedoch ca. 2 Jahrhunderte älter sein.
Das Norwegische Runengedicht wird auf das 12. oder 13. Jahrhundert datiert. Es besteht aus
je 2 Halbzeilen für jeden Vers, wobei die zweite eine Art esoterischen Kommentar
der ersten darstellt.
Das isländische Runengedicht stammt aus dem 15. Jahrhundert. Eine lateinische Übersetzung
des Runennamens steht am Anfang jeder Zeile.
Die entsprechenden Abschnitte aus diesen 3 Gedichten habe ich auf den Runenseiten den einzelnen Runen zugeordnet.
Auf der Seite zu den Runen-Ressourcen gibt es eine Einführung zu guten Büchern.
Direkter Sprung zu den Runen:
Fehu * Uruz *
Thurisaz * Ansuz *
Raidho * Kenaz *
Gebo * Wunjo *
Hagalaz * Nauthiz *
Isa * Jera *
Eihwaz * Perthro *
Algiz * Sowilo *
Tiwaz * Berkana *
Ehwaz * Mannaz *
Laguz * Ingwaz *
Dagaz * Othala
Seiteninfo: 1.Autor: Stilkam | 2.Autor: ING | Weitere Autoren: - | Stand: 20.03.2020 | Urheberrecht beachten!